Naturnahe Gestaltung

Durch zunehmende Flächenversiegelung, den steigenden Einsatz von Pestiziden, Monokulturen und den dadurch bedingten Rückgang der Biodiversität ist die Insektenbiomasse in Deutschland in den vergangenen circa 30 Jahren um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen – ein Trend, der angesichts der unschätzbaren ökologischen Leistungen von Wildbiene & Co. besorgniserregend ist. Die naturnahe Gestaltung unterschiedlichster Flächen kann dem etwas entgegen setzen.

Naturnahe Gestaltung – ein Zukunftskonzept

Unser Info-Video mit Beispielen aus der Praxis

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unsere Podcast-Folge zum Thema „naturnahe Firmengelände“ bei anchor.fm

Was bedeutet naturnah? Weshalb sollten heimische Arten gepflanzt werden und wie erkenne ich sie? Was brauchen Wildbienen zum Überleben? Um diese und weitere Fragen dreht sich die Podcast-Folge des IPH – Instituts für Integrierte Produktion Hannover gGmbH. Das IPH hat seine Außenflächen im Rahmen des Projekts Außenstelle Natur umgestaltet. Gesprächsgästin ist Projektleiterin Barbara Olze.

Was bedeutet naturnah?

Naturnahe Gestaltung bedeutet eine Anpassung der Bepflanzung an die Tierwelt. Heimische Pflanzen, Wildstrauchhecken oder Erdhügel können eintönige Rasenflächen oder Mauerrandstreifen ersetzen und erschaffen vielfältige Nist- und Lebensräume sowie Nahrungsangebote für Tiere und insbesondere Insekten. Eine angepasste Außenbeleuchtung kann auch nachts die Artenvielfalt erhöhen.

Warum naturnah?

Häufig fällt die Wahl auf optisch ansprechende Zierpflanzen oder Exoten, jedoch:

enthalten sie oft wenig Nektar und Pollen
bieten gefüllte Blüten keine Nahrung für Insekten
sind heimische Pflanzen langlebiger und robuster

Es wird vermehrt Wert auf ein ordentliches Erscheinungsbild gelegt, jedoch:

bieten akkurate Rasenflächen und Beete kaum Unterschlupf für Tiere
sind Totholz, Laub und Schnittreste wichtiger Rückzugsort zum Nisten, Brüten oder Ruhen
verschafft eine natürliche Begrünung im Sommer Kühlung, wohingegen gepflasterter Grund, Stein-Gärten oder Mauern Wärme speichern

Rasenflächen werden oft für pflegeärmer als naturnahe Flächen gehalten, jedoch:

muss eine Wildblumen-Wiese deutlich seltener gemäht werden als ein „englischer Rasen“
reguliert sich ein funktionierendes Ökosystem meist selbst und benötigt wenige Eingriffe in Form von Beschnitt oder Düngung

Die Vorteile einer naturnahen Bepflanzung

Heimische Pflanzen bieten erheblich mehr Nahrung für Bienen, Schmetterlinge, Vögel und Co.
Weniger Eingriffe in den Pflanzenwuchs vermindern Kosten für die Pflege und schaffen Lebensraum für Tiere.
Auch der Mensch profitiert von einem Mehr an Grün durch einen höheren Erholungswert. Zusätzlich können Mitarbeitende in Pflege und Ernte einbezogen werden.
Durch gute Kommunikation wird das neue Erscheinungsbild von Außenstehenden nicht als „Wildwuchs“, sondern als wertvoller Beitrag zum Artenschutz wahrgenommen.

Auf der Seite „Aktiv werden“ finden Sie in der Regiokarte Informationen dazu, welcher Fachbetrieb in Ihrer Nähe Sie bei der Umsetzung Ihres naturnahen Projekts unterstützen kann. Zudem sind dort Hilfestellungen zu der Frage aufgeführt, was jede und jeder zur Förderung der Biodiversität und somit zum Schutz der Insekten tun kann.

Natur und Wirtschaft – starke Partner

Gerade Unternehmen können auf ihrem Firmengelände viel für den Erhalt der biologischen Vielfalt erreichen, indem sie Außenbereiche, Grünstreifen oder begrünte Eingangsbereiche naturnah gestalten. Naturnah bedeutet nicht pure Wildnis, sondern ist als eine Anpassung der Bepflanzung an die Bedarfe der Tierwelt zu verstehen. Mit einheimischen Pflanzen, die langlebig und wetterresistent sind, wird Nahrung und Lebensraum für die Tiere zur Verfügung gestellt. So profitiert neben der Tierwelt auch der Mensch von einem ökologisch wertvollen und attraktiven Firmengelände.

Mehrwert für Unternehmen

Ein naturnahes Firmengelände erfüllt viele Funktionen: Einerseits bietet es verschiedenen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum, andererseits ist es für Menschen Aufenthalts- und kreativer Arbeitsraum sowie eine ökologische Visitenkarte nach innen und außen. Naturnahe Gelände sind dynamisch. Das ist ein großer Unterschied zu konventionell gestalteten Außenflächen – jedoch auch ein Vorteil! Die klaren Strukturen und Grenzen vieler klassischer Gärten lösen sich im naturnahen Gelände auf, denn die weniger intensiv gepflegten Flächen verändern sich mit den Jahren und passen sich ihrem Standort an. Aber auch naturnahe Gärten sind plan- und kontrollierbar.

Attraktive Visitenkarte: Naturnahe Firmenareale stehen für einen zukunftsorientierten und verantwortungsvollen Betrieb.
Besseres Lebensgefühl am Arbeitsplatz: Naturnahe Anlagen tragen dazu bei, Wohlbefinden, Kreativität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden sowie die Identifikation mit dem Unternehmen zu steigern.
Beitrag zum Erhalt unserer natürlichen Umwelt und Artenvielfalt: Naturnahe Gestaltung ist eine sinnvolle Maßnahme im Rahmen eines Umweltmanagements nach EMAS.
Einheimische Pflanzen benötigen weniger Pflege als Exoten.
Dachbegrünungen und Fassadenbegrünungen reduzieren den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung und schützen das Gebäude vor extremen Wetterereignissen.
Mit der flächendeckenden Einführung gesplitteter Abwassergebühren rechnet sich naturnahes Regenwassermanagement.

LESETIPP

Praxishandbuch für mehr Biodiversität

Das Umweltzentrum Hannover ist Mit-Herausgeberin des Praxisratgebers „Öffentliche und gewerbliche Grünflachen naturnah“ von Naturgartenplanerin Ulrike Aufderheide. Wenn Sie oder Ihre Mitarbeitenden tiefer in die Materie einsteigen wollen, können wir die Anschaffung des Handbuches nur empfehlen.

Titelseite des handbuchs Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah

Ulrike Aufderheide
Öffentliche und gewerbliche Grünflächen naturnah
Praxishandbuch für die Anlage und Pflege
pala-Verlag, Darmstadt, 2022
https://pala-verlag.de
208 Seiten, Hardcover, 30 Euro
ISBN: 978-3-89566-420-5